Dolomiten 1.Teil, 07. bis 09. Juli 2012


Der Tourenbericht ist -wegen der besseren Übersichtlichkeit- in vier Teile gegliedert. Das Tourengebiet der Fahrt lag in den Ampezzaner Dolomiten und im südlichen Bereich der Pragser Dolomiten.
Hauptziel war es, Frontabschnitte des 1.Weltkriegs zu besuchen.
Seit Jahren bin ich auf Bergtouren in den Dolomiten, in den Karnischen Alpen, im Ortler-Gebiet und anderswo an Kriegsresten vorbeikommen. Ich habe Bücher und Zeitschriften gelesen, Filme gesehen und im Internet recherchiert, um zu erfahren was damals passiert ist und warum es passierte. Diesmal ging es mit anderen zusammen auf Spurensuche. Die Tour würde anstrengend werden: Schweres Gepäck mit Biwakausrüstung, Klettersteige und nur eine Hüttenübernachtung, wenn überhaupt. Zwei weitere Mitglieder der DAV Sektion Berlin -Christian und Iris- waren mit dabei. Sie stießen im 3.Teil der Tour zu uns.
Im 1.Teil sind Zoltan, Kerstin und ich von der Pederü-Hütte zur Biwakhütte Baccon-Barborka gelaufen, um zu prüfen, ob diese noch vorhanden ist, da sie für den 3.Teil der Tour wichtig war, jedoch auf der Tabacco-Karte der Ampezzaner Dolomiten von 2010 nicht mehr eingezeichnet ist. Die von uns besuchten Frontlinien im 3.Teil der Tour wurden grob bestimmt durch das Fanes-Tal (1. und 3.Teil), das Gotres-Tal (2.Teil), das Travenanzastal (2. und 3.Teil), die Tofane (3.Teil) und dem Col di Lana (4.Teil) [1].

Am Samstag holten wir Zoltan aus dem Inntal ab, wo er seit Jahren schon mit Frau und Kind wohnt. Zoltan stammt aus Ungarn und spricht gut Deutsch. Dieses hatte er bei seinen ungarischen Großeltern gelernt. Mit Iris aus Berlin -die Österreicherin ist- waren alle entscheidenden Nationalitäten der Achsenmächte an der ehemaligen Alpenfront vertreten.
Auf den Vortreffen in Berlin wurde die Vorgeschichte des 1.Weltkrieg untersucht. Die groben Eckdaten waren allen bekannt: Von wann bis wann der 1.Weltkrieg stattfand. Wer hat mit wem Krieg geführt? Was war das auslösende Attentat? Aber die Vorgeschichte und die Kriegsereignisse waren komplizierter und verwickelter. Klar war schnell, dass die damals Herrschenden in Politik, Adel und Industrie die Katastrophe des 1.Weltkrieges auslösten. Insbesondere interessierte uns die Frage, warum Italien 1915 in den Krieg eintrat. Oft wurde der Kampf am Südtiroler Frontabschnitt als Abwehrkampf gegen den Okkupanten Italien dargestellt. Dabei wird meist übersehen, das Italien und Österreich seit geraumer Zeit immer wieder Kriege gegeneinander führten. Es ging um Gebiete im jetzigen Norditalien, welche vorher durch Österreich kontrolliert wurden, so z.B. die Lombardei bis 1859.

Die Gründe für den 1.Weltkrieg habe ich vor der Tour versucht zusammenzufassen.

Nach dem Abendbrot auf der Pederü-Hütte gingen wir auf der alten Kriegsstraße aufwärts in Richtung Fanes-Hütte. Pederü war ein wichtiger Versorgungsplatz der der k.u.k.-Armee, von welchem man Material in die vordersten Linien transportierte. Deshalb wurde die Straße damals ausgebaut. Bald verliessen wir diese Strasse, um auf dem parallel laufenden Dolomitenhöhenweg Nr.1 weiterzuwandern.


Auf ca. 1860m schlugen wir uns nach rechts in die Büsche, einem kaum sichtbaren Pfad folgend. Nach wenigen Metern kommt eine kleine aufgelassene Alm mit einer alten Hütte. Die Hütte war zwar offen, jedoch in einem so dreckigen und ramponierten Zustand, dass wir ein Freibiwak vorzogen.
Am nächsten Morgen ging es an Hütten-Gebäuden auf 2007m (siehe Foto) und der Fanes-Hütte vorbei, um über das Limojoch (im Foto etwas links von der Bildmitte) weiter aufzusteigen.
Nach dem Limo-See passierten wir eine kleine Alpini-Kaserne. Diese wurde 1916 -im Zuge einer rückwärtigen Auffangstellung- als Teil einer Sperre durch die k.u.k. Armee errichtet. Auf der Schmalseite des Gebäudes befinden sich aus diesem Grund heute noch Schießscharten mit Panzerblenden. In der Nähe des Gebäudes sind Reste von Schützengräben zu sehen. Nach dem 1.Weltkrieg wurde das Gebäude durch die italienische Armee aufgestockt[2 S.315f]. Das Gebäude ist nicht in den Karten [1, 3 und 4] eingezeichnet, da es sich um ein militärisches Gebäude handelt.
Bald schon kamen die ehemaligen vordersten Höhenstellungen in Sicht, auf die sich die k.u.k.Truppen und ihre deutschen Verbündeten zurückzogen, nachdem sie die Stellungen im Travenanzastal und den Tofanen nach harten Kämpfen aufgeben mussten.

Im Foto zu sehen von links nach rechts: Monte Vallon Bianco 2688m, die Cime Furcia Rossa -teilweise durch Wolken verdeckt-, Monte Castello, Monte Casale 2894m, Monte Cavallo 2912m und die Cime Campestrin. Wobei die Campestrin-Gipfel nicht mehr in die Höhenstellungen einbezogen wurden. Die Stellungen führten über den Monte Cavallo nach Norden zu den Fanestürmen.

Wir strebten zum Kamm zwischen Cime Furcia Rossa und dem Monte Vallon Bianco, wo die Biwakhütte Baccon-Barborka liegt (im Foto durch Wolken verdeckt). Zunächst ging es an der Großen Fanes Alm (zentral im Foto zu sehen) vorbei. Heutzutage wird neben der Almwirtschaft noch eine Jausenstation betrieben.
Nachdem man in den Wandfuß zwischen Monte Vallon Bianco und den Cime Furcia Rossa einsteigt, häufen sich die Kriegsüberreste. So -wie auf dem Foto- Reste einer Baracke, die links des Weges liegen.
Kurz unterhalb des Kammes zwischen Monte Vallon Bianco und den Cime Furcia Rossa befindet sich das Ende einer alten Seilbahn, die 1917 hier heraufführte, um die Höhenstellungen mit Material zu versorgen. Es handelte sich dabei um eine der längsten Seilbahnen, die an der Gebirgsfront erbaut wurde. Sie führte über mehrere Etappen von Plan im Grödnertal, dem Grödnerjoch, Corvara, Stern, St.Cassian über den Tadega-Pass hier hinauf [2 S.353]. Heute sind noch zwei Rechtecke zu sehen, die zu einem Schacht führen, in welchem quer eine einbetonierte massive Holzrolle liegt, welche mit Eisen beschlagen ist. An dieser Holzrolle waren die Stahlseile der Seilbahn befestigt.
Vieles von dem  hier hoch geschafften Material wurde bei Kriegsende liegen gelassen, so z.B. der Brennholzstapel auf dem Foto. Für die Menschen aus den Tälern, wo die Wirtschaft in den Nachkriegsjahren daniederlag, eine Möglichkeit sich etwas dazu zu verdienen. So gab es z.B. für einen Helm 2 Lire und für ein Skelett 25 Lire. Auch das Holz vieler zerfallender Kriegsbaracken wurde von den Menschen in den Wintern verfeuert [7 S.190]. Trotzdem blieb besonders in den schwer zugänglichen Höhenstellungen noch Material liegen.
Nach Erreichen des breiten Kammes kam das Bivacco Baccon-Barborka in Sicht. Die Hütte stand also doch noch, obwohl sie in der Karte [3] nicht mehr eingezeichnet ist, im Gegensatz zu vorhergehenden Ausgaben dieser Karte.
Das Bivacco Baccon-Barborka wurde durch den Verein Dolomitenfreunde errichtet. Dieser Verein widmet sich der Geschichtsaufarbeitung durch die Erneuerung und Sanierung von Unterkünften und Steigen in alten Frontabschnitten, so auch des Via della Pace in den Ampezzaner Dolomiten. Ziel des Vereins ist die Pflege der Völkerverständigung der ehemaligen Kriegsgegner des 1.Weltkriegs. Mittel hierzu sind genannte Erneuerungen und Sanierungen im Gebiet der ehemaligen Südwestfront, sowie die Erforschung und Dokumentation dieses Gebietes. Der Verein gibt Publikationen heraus und betreibt Museen oder hat bei dem Aufbau solcher maßgeblich mitgewirkt. So z.B. von 1977 - 1982 am Freilichtmuseum auf dem Monte Piano oder seit 1983 am Plöckenpass. Die Biwak-Hütte wurde 1973 auf den Fundamenten der Baracke des k.u.k. Artilleriebeobachters errichtet. Sie hat 4 Schlafplätze ohne Matratzen und ist offen. Die Hütte ist nach Capitano Charles Augustus Baccon und Hauptmann Emanuel Barborka benannt, den Kommandanten dieses Abschnitts der Dolomitenfront. Barborka ist bei Kämpfen in den Tofanen im Juli 1916 gefallen. Capitano Baccon gerät - ebenfalls im Juli 1916- im Travenzastal verletzt in Gefangenschaft [2 S.350]. Für viele Soldaten ist der Weg in die Gefangenschaft ein Weg in Krankheit, Hunger und Tod. Besonders in den k.u.k. Gefangenenlagern ist Situation oft desolat, zumal die italienischen Gefangen als Deserteure eingestuft wurden [7 S.152ff].
Der Kamm bildete einen Teil der vordersten Frontlinie der Österreicher, nachdem sie sich nach verlustreichen Kämpfen 1916 auf die Linie Fanesberge - Monte Cavallo - Cime Furcia Rossa aus dem Travenanzastal und den Tofanen zurückziehen mussten[3 S.330ff]. Der Kamm war an dieser Stelle gut ausgebaut, wovon die zahlreichen Stellungsreste zeugen. Von hier aus hat man eine hervorragende Sicht auf die westlichen Tofane und das Travenanzastal, mit dem Col dei Bos am südlichen Taleingang. Damit bot sich auch damals eine umfassende Sicht auf die italienischen Stellungen.
Von hier kann man auch die Südseite des Monte Vallon Bianco sehen. Dieser Berg hat einen breiten Gipfelrücken, dessen höchster Punkt nur schwach ausgeprägt ist -auf dem Foto hinten rechts zu sehen. Er wurde weiträumig um seinen höchsten Punkt herum untertunnelt. Einige Öffnungen wurden nach Süden angelegt, um den Gegner zu beobachten und zu beschießen. Auf dem Foto kann man diese Öffnungen erahnen. Wenn man auf das Foto klickt, wird eine Vergrößerung angezeigt. Außerdem sieht man einen Teil des Weges, welchen wir nutzten, um zum Gipfel zu gelangen. Er führt unten links auf die abgewandte Nordseite des Monte Vallon Bianco.
Der alte Kriegssteig wurde im Jahr 1973 wieder instand gesetzt ( [3] S.353 ).
Der Steig endet auf einem künstlich angelegten Plateau. Hier führt ein Stollenmund in die Tiefe. Er war der Eingang eines maschinenbetriebenen Schrägaufzugs, über welchen Material und Munition in das Stollensystem transportiert wurde [3 S. 345f].
Im Tunnel des Schrägaufzugs sind die hölzernen Gleise für die Wagen noch erhalten.
Der Tunnel führt Richtung Süden. Auf der rechten Seite befinden sich Mannschaftsräume. In die Kavernen sind Hütten gezimmert worden, zum Schutz gegen Kälte, Wasser und herabfallende Steine.
Der südliche Bereich der Tunnelanlage endet in der Südwand des Monte Vallon Bianco. Dort befinden sich zwei Kavernen mit großen Öffnungen in Richtung Travenanzastal. Das Stangen mit Ringen für die Tarnvorhänge sind noch vorhanden. Hier standen Geschütze, wie an den Fundamenten zu erkennen ist.
Zum Ausstieg nutzen wir den zweiten Eingang, der südlich, nahe des Gipfels des Monte Vallon Bianco gelegen ist.
Das Gipfelbuch des Monte Vallon Bianco enthält vorne einen interessanten Eintrag, welcher einen Hinweis auf das kritische Verhältnis so mancher Südtiroler zum italienischen Staat gibt. Es ist sicher interessant und lohnend dieses Verhältnis näher zu beleuchten und die verschiedenen Ereignisse, welche dazu führten. Aber das Thema dieser Tour sind nicht die Folgen des 1.Weltkrieges sondern die Gründe für seinen Ausbruch und die Geschehnisse an der Dolomitenfront.
Auf ungefähr der gleichen Strecke ging es zurück zur Pederü-Hütte, auf welcher wir übernachteten.
Am nächsten Tag verabschiedeten wir uns am Bahnhof von Ehrenburg im Pustatal von Zoltan.
Quellen:
[1] Kompass Karte "Italienisch-Österreichische dolomitische Frontkarte 1915/1917" 1:50 000 Kompass-Verlag Kartenstand zwischen 1976 und 1981
[2] Walter Schaumann "Schauplätze des Gebirgskrieges" Band 1b Westliche Dolomiten Tofanen-Marmolata 1981 bei Ghedina e Tassotti in Bassano Del Grappa
[3] Tabacco Wanderkarte 03 "Cortina D'Ampeezo e Dolomiti Ampezzane" 1:25000 Erschienen 2010
[4] Tabacco Wanderkarte 03 "Cortina D'Ampeezo e Dolomiti Ampezzane" 1:25000 vor 97 erschienen
[5] Walter Schaumann "Schauplätze des Gebirgskrieges" Band 1a Östliche Dolomiten Sexten-Cortina d'Ampezzo 1981 bei Ghedina e Tassotti in Bassano Del Grappa
[6] Manfred Rauchensteiner "Der Tod des Doppeladlers" 2.Auflage 1994 Verlag Styria [7] Michael Wachtler, Paolo Giacomel, Günther Obwegs " Krieg, Tod und Leid - Dolomiten" 2.Auflage 2005 bei Verlag Athesia Spetrum
[8] Heinz von Lichem "Der einsame Krieg" 1974 beim Hornung Verlag


Stand: Dezember 2012

zum 2.Teil der Tour
zum 3.Teil der Tour
zum 4.Teil der Tour


zurück den aktuellen Toureninfos